Geschichte & Vermächtnis
Die Kampnagel AG ist nicht nur ein Firmenname.
Sie ist eine Chronik der deutschen Industrie – von Stärke, Ausdauer, Zusammenbruch und Erneuerung.
Die Gründung
1865–1900
Im Jahr 1865 wurde in Hamburg Nagel & Kaemp, Civilingenieure, von August Christian Nagel (1836–1912) und Reinhold Hermann Kaemp (1837–1899) gegründet. Nagel galt als der technische Erfinder und kreative Kopf des Unternehmens, während Kaemp als kaufmännisch versierter Unternehmer die geschäftliche Führung übernahm.
1875 errichtete das Unternehmen eine eigene Maschinenfabrik in Winterhude am schiffbaren Unterlauf der Osterbek – ein entscheidender Standortvorteil für den Transport und die Fertigung schwerer Maschinen.
Anfang 1889 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und firmierte fortan unter dem Namen Eisenwerk (vormals Nagel & Kaemp) AG.
Zu den Gründern der Aktiengesellschaft zählten neben Nagel und Kaemp die Ingenieure Adolf Wilhelm Franz Georg Linnenbrügge und George Rudolph Otto Westendarp sowie der Kaufmann Claas Wessel Brons (1845–1918). Mit Ausnahme von Linnenbrügge gehörten alle dem Aufsichtsrat an.
Zunächst auf die Herstellung von Reismühlen ausgerichtet, profilierte sich das Unternehmen ab etwa 1890 zunehmend als Hersteller von Schiffs- und Hafenkranen. Im Gegensatz zu den bis dahin verbreiteten stationären Anlagen entwickelte das Unternehmen mobile Hebefahrzeuge, die einen wichtigen Fortschritt in der Hafenlogistik darstellten.
Ein industrielles Kraftzentrum
1900–1930er Jahre
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte das Unternehmen zu den bedeutendsten Herstellern von Schiffs- und Hafenkranen in Deutschland. Seine Erzeugnisse wurden in zahlreichen Häfen im In- und Ausland eingesetzt und begründeten den Ruf des Unternehmens für technische Zuverlässigkeit und robuste Ingenieurskunst.
Die Bedeutung des Unternehmens für Hamburgs Industrie- und Sozialgeschichte spiegelte sich auch in der Literatur wider: Nagel & Kaemp diente als Vorbild für die Maschinenfabrik N.&K. im gleichnamigen Debütroman Maschinenfabrik N. & K. (1930) von Willi Bredel. Bredel, der in den 1920er Jahren als Dreher bei Nagel & Kaemp arbeitete, schilderte darin Arbeitskämpfe zwischen Fabrikherren und Arbeiterschaft sowie politische Konflikte zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten aus der Perspektive eines kommunistisch organisierten Arbeiters.
Diese Phase markierte die Festigung des Unternehmens als bedeutender Industriebetrieb und als prägendes Element der deutschen Schwerindustrie vor den politischen Umbrüchen der 1930er Jahre.
Das dunkle Kapitel
1930er–1945
Im Jahr 1934 wurde das Unternehmen offiziell in Kampnagel AG (vormals Nagel & Kaemp), Hamburg umbenannt.
1939 erfolgte die Umstellung auf Rüstungsproduktion unter staatlicher Lenkung. Kampnagel fertigte fortan Granaten, Zünder, Patronen sowie weitere militärische Erzeugnisse. In dieser Zeit wurden laut der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft mehr als 1.000 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäftigt, die in sechs betriebseigenen Lagern untergebracht waren.
Den Vorsitz des Aufsichtsrates führte der Industrielle und ehemalige Hamburger Senator Hermann Carl Vering, Politiker der Deutschen Volkspartei (DVP). Stellvertretender Vorsitzender war Joachim de la Camp, Nationalsozialist und Präsident der Handelskammer Hamburg von 1937 bis 1945 (Stand Mai 1943).
Der Unternehmer Max Mörck war bis 1934 Vorsitzender des Aufsichtsrates, anschließend Vorstandsvorsitzender der Kampnagel AG von 1934 bis 1937 und später ab 1958 erneut Aufsichtsratsvorsitzender.
Dieses Kapitel stellt eine untrennbare und belastende Phase der Unternehmensgeschichte dar, die offen benannt werden muss und bleibende historische Verantwortung trägt.
Wiederaufbau und Wachstum
1945–1970er Jahre
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahm Kampnagel die Produktion seiner ursprünglichen Erzeugnisse – der Schiffs- und Hafenumschlagtechnik – wieder auf. Das Unternehmen erzielte erneut internationale Erfolge; Krane mit dem Namen Kampnagel sind bis heute in zahlreichen Häfen weltweit zu finden.
In den Nachkriegsjahrzehnten stand Kampnagel erneut für Langlebigkeit und technische Zuverlässigkeit. Gleichzeitig führten strukturelle Veränderungen im Welthandel zu wachsenden wirtschaftlichen Herausforderungen. Der Aufstieg des Containerverkehrs in den 1960er Jahren ließ die Nachfrage nach klassischen Stückgutkranen deutlich zurückgehen.
Niedergang und Stille
1970er–1980er Jahre
1968 wurde Kampnagel an Demag AG verkauft, die später in Mannesmann aufging. Am Standort wurden bis 1981 noch Gabelstapler produziert.
Da Demag bereits über zwei Kranhersteller mit sehr ähnlichen Produktprogrammen verfügte, entwickelte sich die ursprünglich als Konsolidierung gedachte Übernahme zunehmend zu einer Stilllegungsstrategie. Eine von McKinsey erstellte Marktanalyse kam zu dem Ergebnis, dass die Kranfertigung künftig verstärkt in schnell industrialisierende Länder verlagert werde und sich die Absatzchancen für deutsche Hersteller deutlich verschlechtern würden.
Auf Grundlage dieser Analyse entschied sich das Management von Demag zur Schließung eines der beiden Werke. 1981 wurde die Stilllegung von Kampnagel bekannt gegeben und damit eine über hundertjährige industrielle Produktion beendet.
Die Rückkehr
21. Jahrhundert
Der Name Kampnagel verschwand nicht. Zwar endete die industrielle Fertigung, doch die historischen Werkshallen blieben erhalten und wurden zur Kampnagel Internationale Kulturfabrik, heute das größte freie Produktionszentrum für darstellende Künste in Europa.
Kampnagel lebt damit als historisches Zeichen deutscher Industriegeschichte fort – gegründet auf Erfindungsgeist, geprägt vom Welthandel, belastet durch Geschichte und bewahrt durch Erinnerung. Sein Erbe ist eingeschrieben in Stahl, Architektur und in die Krane, die bis heute in Häfen auf der ganzen Welt stehen.
Beständige Werte
Über 160 Jahre hinweg – durch Triumphe und Tragödien – bleiben die Werte bestehen.
Integrität
Geschichte ehren,
Verantwortung leben.
Stärke
Ausdauer über
Generationen.
Präzision
Ingenieurskunst auf
höchstem Niveau.
Innovation
Voranschreiten, wo
andere folgen.